Wirbelsturm in Auen-Holthaus u. Lienerloh vor 90 Jahren

Vor 90 Jahren, am 1. Juni 1927, wurden Auen-Holthaus und Lienerloh fast vollständig von einem Wirbelsturm zerstört.

Hier ein paar der damaligen Berichte aus Zeitungen und von Zeitzeugen.
Quelle: http://www.blitzwetter.de/lindern.htm

Schaulustige nach dem Wirbelsturm

„Der Wirbelsturm von 1927 und seine Folgen für Auen-Holthaus

Katastrophen haben die unangenehme Eigenschaft, daß sie meist unvorhersehbar, plötzlich auftreten und unberechenbar sind. Eine Katastrophe miterleben möchte wohl keiner – sich die Folgen einer Naturkatastrophe anschauen – schon mancher.

Im Juni 1927 war die Landstraße zwischen Lastrup umd Lindern dicht bevölkert von Schaulustigen, die alle ein gemeinsames Ziel hatten – Auen und Holthaus. Scharenweise kamen Kutschwagen, Fahrräder, Motorräder und Autos aus ganz Deutschland, da in vielen Zeitungen ausführlich über das Unglück berichtet worden war. Nachdem die Schienen der Kleinbahn wieder geräumt waren, transportierte auch sie die Neugierigen bis nach Auen. In Auen und Holthaus bot sich dem Besucher ein Bild der Verwüstung. 20 ha Eichen- und Buchenwald und 80-90 Wohn- und Wirtschaftshäuser waren zerstört worden. Geschehen war dieser vernichtende Schlag am 1. Juni 1927.

Es war ein fecht-heißer Tag – vormittag hatte es geregnet. Nachmittags hatte sich dann ein Wirbelsturm über den Mooren der Provinz Zwolle in Holland gebildet und war bereits über das Emsland hinweggebraust, ehe er Auen-Holthaus gegen 17 Uhr erreichte, um aus dem schönen, alten Ort einen Ort der totalen Zerstörung zu machen.

Die Bewohner hatten sich richtig verhalten und instinktiv den Schutz der Häuser gesucht. Tote waren daher nicht zu beklagen, doch meherere Schwerverletzte erhielten vorsorglich von Pfarrer Püttmann die Hl. Ölung. Man hatte sie unter Balken und Decken hervorgeholt. Ein wenige Tage altes Kind war völlig unversehrt aus den Trümmern geborgen worden. Da alle Telefonleitungen zerstört waren, erreichte die Nachricht über die Sturmkatastrophe erst gegen 21 Uhr die Kreisstadt Cloppenburg. Sofort wurden 25 Beamte der Ordnungspolizei zum Einsatz geschickt. Sie hatten dafür zu sorgen, daß am Unglücksort alles mit rechten Dingen zuging und vor allem, daß nicht geraucht wurde. Da das Stroh von Strohbalken und Dächern über ganz Auen und Holthaus verteilt war, fehlte den Bewohnern nur noch ein Brand, der die Katastrophe perfekt gemacht hätte.

Am 2. Juni kamen meherere Oldenburger Staatsbeamte zur Unglücksstelle, um sich ein Bild von der Verwüstung und den zu ergreifenden Maßnahmen zu machen. Zunächst wurden von Minister Driver und Dr. Willers die Beschaffung von Notquartieren, Ermöglichung des Durchgangsverkehrs, Instandsetzung der zerrissenen Stromleitung und die Inbetriebnahme einer Feldküche vor der Gaststätte Thole veranlaßt. Die Arbeitskräfte fur die Aufräumarbeiten kamen aus den umliegenden Gemeinden, die kostenlos in Auen und Holthaus mithalfen. Das tote Vieh, die verstreut liegenden Haushaltsgeräte, Kleidungsstücke etc. mußten zusammengesucht werden. 1927 brauchte auf dem Feld für die Ernte nicht mehr viel getan werden, da das Getreide wie plattgewalzt dalag. Was an Vieh noch vorhanden war, wurde im folgenden Winter – das meiste aufgrund Futtermangels – verkauft. In Auen wurde ein Baubüro eingerichtet, das den Geschädigten mit Rat und Tat zur Seite stehen sollte. Die Gebäude, die nicht so sehr beschädigt waren, wurden wiederhergestellt, doch 11 Wohnhäuser mußten völlig neu gebaut werden. Maßgeblich am Wiederaufbau beteiligt waren Regierungs-Baurat Ritter und der Architekt Schellstede. Wichtig war es, für die Bewohner wieder ein Dach über dem Kopf zu besorgen, da sich viele Menschen einen Verschlag in den Ruinen gezimmert hatten, wo sie auf engstem Raume lebten. Da auch die Schule total zerstört war, wurden die Kinder bis zum Winter 1927 nach Liener zur Schule geschickt. Bis im Jahr 1929 die Schule bezogen werden konnte, wurden sie dann im Saal der Gaststätte unterrichtet. Weil die Landesbrandkasse nach den Grundsätzen der Feuerversicherung nicht für diesen Schadensfall eintreten mußte, war die Finanzierung des Wiederaufbaus der Bauernschaften vordringlich. Durch die Bauernvereine, durch die Regierung und alle christlichen und politischen Vereine wurde zum Spenden für die betroffenen Bauernschaften aufgerufen. Die Haussammlungen brachten 154.000 M für den Wiederaufbau der vernichteten Ortschaften. Weitere 100.000 M stellte Reichspräsident Hindenburg aus der Staatskasse zur Verfügung. Doch für den Wiederaufbau wurden annähernd 500.000 M gebraucht. So mußte jede betroffene Familie 10.000-20.000 Mark als Darlehen aufnehmen, was für einen Betrieb von 10-30 ha in jener Zeit gefährlich war. So wird am 10. Juni 1928 in der Münsterländischen Tageszeitung berichtet, daß bereits verschiedene Bauern aus Auen und Holthaus einige Grundstücke an das Bauamt veräußert hatten (mußten). Mittels dieser Grundstücke beabsichtigte das Bauamt, die betroffenen Heuerleute selbständig zu machen. Das Ministerium kam den Betroffenen mit der steuerlichen Befreiung für 1927 entgegen. Doch obwohl der Gemeindevorsteher Schewe sofort nach der Katastrophe gesagt haben soll: Ihr seid für ein Jahr steuerfrei! , hat heute „fast jeder in Auen den sog. Kuckuck für Gemeindesteuern“. (Münsterländische Tageszeitung, 14.11.1927)“

Das Schulhaus
„Hof Schewe“
„Hof Janssen“
„Hof Bunten“

 

 

Kurz zuvor zog der Sturm über Lingen, wo er ebenfalls erhebliche Schäden anrichtete. Weitere Bericht und Fotos auf www.blitzwetter.de/lindern.html